Der Drei-Beinige Hund
Die häufigsten Ursachen für eine Beinamputation
Als Amputation bezeichnet man die Durchtrennung eines Knochens im gesunden Gewebe. Bei einer Abtrennung eines Körperteils im Gelenk spricht man auch von Exartikulation. Eine Amputation ist notwendig, wenn die Heilung eines kranken Körperteils nicht zu erwarten und das Leben des Patienten dadurch gefährdet ist. Ursachen können beispielsweise Durchblutungsstörungen, Infektionen, Unfälle, Krebserkrankungen oder eine angeborene Fehlbildung der Gliedmaßen (Dysmelie) sein. In einigen der genannten Fällen zeichnet sich schon längere Zeit ab, dass eine Amputation notwendig wird. Im Gegensatz dazu muss manchmal auch ganz unvorhergesehen amputiert werden, zum Beispiel wegen schwerer Verletzungen nach einem Unfall.
Unterscheidung zwischen vorder- und hintergliedmassenamputierten Hunden:
Die Statik der Hunde ist so aufgebaut, dass die Vorderbeine das meiste Gewicht tragen, deshalb wirkt sich die Amputation einer Vordergliedmasse deutlicher aus, als die Amputation einer Hintergliedmaße.
Die Hunde kommen aber in der Regel direkt nach der OP nach kurzer Eingewöhnungszeit, in der die Abläufe beim Hinlegen, Aufstehen, bergauf- und bergablaufen, rennen, spielen und toben geübt werden, völlig problemlos zurecht!
Vorderbeinamputierte Hunde ermüden auf längeren Strecken einfach schneller, weil das verbliebene Vorderbein die ganze Stützlast alleine tragen muss. Hierbei hilft schon eine Umstellung auf mehrere mittlere Spaziergänge statt eines langen….Auch bergablaufen ist für vorderbeinamputierte Hunde anstrengender als für vierbeinige….Ebenso treppenlaufen bergab…. Viele vorderbeinamputierte Hunde leben ihr ganzes Leben lang völlig problemlos mit ihrem Handicap – das von den Hunden gar nicht als solches wahrgenommen wird, denn Hunde sind Weltmeister darin, sich an Gegebenheiten anzupassen – aber es wird wahrscheinlich zu Überlastungen oder Folgeschäden kommen.
Überlastungen können an der verbliebenen Vordergliedmasse oder an der dem amputierten Vorderbein diagonal gegenüberliegenden Hintergliedmaße auftreten – in Form von erhöhtem Verschleiss, von Überlastung des Bandapparates oder von Rückenproblemen… Solchen Überlastungserscheinen kann man als Tierhalter durch angemessene Bewegung, Optimierung der Haltung und einigen prophylaktischen Maßnahmen aber sehr gut vorbeugen…
Hintergliedmassen amputierte Hunde haben weniger Probleme mit der Statik, weshalb hinterbeinamputierte Hunde weniger schnell ermüden. Die Hinterhand entwickelt den Schub für die Vorwärtsbewegung, deshalb kann es in den Knie- und Hüftgelenken und im Kreuzbein-Darmbein-Gelenk durch die verstärkte Beanspruchung leichter zu Überlastungen kommen. Die Hunde setzen das Hinterbein eher mittig unter den Körper, somit werden die Bänder und Gelenke unphysiologisch belastet, durch das kraftvolle Abstoßen weit mehr als am Vorderbein. Auch hier spielt die diagonale Verkrampfung der Rücken- und Beckenmuskulatur eine Rolle, weil der Schub jetzt schräg auf das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk trifft. Das diagonal liegende Vorderbein trägt das Gewicht des fehlenden Hinterbeines mit – deshalb lautet bei allen beinamputierten Hunden die Regel: Unser Augenmerk liegt verstärkt auf der übrig gebliebenen Gliedmaße und auf der diagonal-gegenüberliegenden Gliedmaße. Die gute Nachricht ist: Bei überlegtem Umgang mit dem beinamputierten Hund kann man diesen Überlastungserscheinungen vorbeugen und Folgeschäden minimieren.
Allgemeine Tipps für die optimale Haltung dreibeiniger Hunde:
Mehrere kleinere, bis mittlere Spaziergänge am Tag. Nach einem gewissen Trainingseffekt kann die Dauer allmählich gesteigert werden. Klein anfangen und die Dauer steigern ist besser, als den Hund zu überlasten.
Haltung des Hundes möglichst in einer EG-Wohnung (oder Aufzug im Haus!) – einen Hund bis zu 10 kg KANN man grad noch 4 – 6 mal täglich die Treppe rauf und runter tragen….Aber alles darüber hinaus wird zum kraftzehrenden, Jahre andauernden täglichem Kampf für Sie… Unterschätzen Sie das nicht!
Ein sicher eingezäunter Garten macht die Sache leichter.
Fütterung von gelenkschützenden Präparaten in Absprache mit Ihrem Tierarzt. Es gibt kostengünstige Präparate, Vergleiche lohnen sich.
Im Haus für rutschsicheren Boden sorgen.
Statt eines Halsbandes ein gut gepolstertes Brustgeschirr verwenden – kann bei unvermeidbaren Treppen, beim Einsteigen ins Auto, bei rutschigem Untergrund auch gut zur Unterstützung des Hundes benutzt werden. Da normale Geschirre bei Dreibeinern oft verrutschen, gibt es spezielle Dreibeiner-Geschirre – mit Haltegriffen, besonderer Polsterung und besonderer Befestigung.
Häufigere Kontrollen der Rückenmuskulatur auf Verspannungen – kann prima in die tägliche Knuddel-Stunde eingebaut werden, jeder Tierarzt oder erfahrene Tierphysiotherapeut zeigt Ihnen gerne, worauf Sie achten müssen, damit Sie bei auftretenden Verspannungen sofort eingreifen können. Wenn Sie Probleme im Rücken bei Ihrem Hund feststellen, stellen Sie ihn schnellstmöglich tierärztlich vor – Schmerzen führen zu weiteren Verkrampfungen, die sich nicht von selbst lösen können, je schneller eingegriffen wird (Schmerzmittel, Rotlicht, Massage, Physiotherapie), desto besser.
Weich gepolsterte Liegefläche, absolut zugfrei. Dies beugt Rückenverspannungen vor.
Liege- oder Belastungsschwielen können an anderen Stellen auftreten als bei vierbeinigen Hunden.
Ihr Dreibeiner ist ein Wassernarr? Super! Dann lassen Sie ihn so oft wie möglich im Wasser ein paar Runden drehen – der beste Ausgleich für die Rückenmuskeln, die beste Möglichkeit, für Ausdauer zu sorgen, die beste Methode um stark belastete Gelenke auf sanfte Art zu bewegen…
Spielstunden mit anderen Hunden auf weichen Untergrund verlegen – so sind die unvermeidlichen Stürze oder Kugeleien bei Hundespielen etwas abgepolstert.
Vorderbeinamputierten Hunden Futter- und Wassernapf leicht erhöht anbieten. Das erleichtert das Fressen ungemein.
Der allerwichtigste Punkt aber ist, den Hund so schlank wie möglich zu halten, jedes Gramm weniger hilft über Jahre hinweg, Überlastungen zu vermeiden….
Und noch ein paar Tipps für Sie als Halter:
Ihrem Hund ist seine Behinderung – egal welcher Art – schnurzpiepegal. Kein Hund „sieht“ sich selbst als behindert an. Ihr Hund ist endlich zuhause angekommen – bei Ihnen. Ihr Hund „leidet“ nicht an seiner Behinderung – Hunden fehlt die Fähigkeit, sich Gedanken über „was wäre wenn“ zu machen – und deshalb ist Ihr Hund einfach ein glücklicher Hund.
Auch andere Hunde sehen Ihren Dreibeiner nicht als behinderten Hund – manchmal wird das zu Ihrem Leidwesen so sein, nämlich wenn die Hunde übermütig rumtollen und so gar keine „Rücksicht“ nehmen beim Spielen …. Lernen Sie, das auszuhalten und wirklich nur einzugreifen, wenn´s gar zu bunt wird – für Ihren Hund ist es das größte Geschenk, wenn Sie ihn einfach Hund sein lassen….
Legen Sie sich ein dickes Fell zu…..
Sie werden für Aufsehen sorgen.
Sie werden so oft auf Ihren Hund angesprochen werden, dass Sie sich überlegen werden, ob es nicht sinnvoll ist, einen Flyer über die Geschichte Ihres Hundes zu machen, weil Sie sonst nach jedem Spaziergang heiser sein werden…
Bleiben Sie freundlich, wenn Ihr dreibeiniger, wilder Feger mit anderen Hunden fröhlich herumtollt und vorbeikommende Spaziergänger vor Mitleid mit dem „armen Kerl“ fast in Tränen ausbrechen….Die meisten Menschen wissen es nicht besser.
Sie und Ihr Hund sind der beste Beweis dafür, dass dreibeinige Hunde und ihre Menschen in erste Linie eines sind – nämlich ein starkes Team…
Und Sie werden feststellen, dass nach kurzer Zeit in ihrem Mensch-Hund-Team plötzlich ein Experte für die Belange und Besonderheiten IHRES Hundes auftaucht – und dieser Experte sind SIE!
Vergessen Sie nicht, auch vierbeinige Hunde können an allen möglichen Problemen erkranken, Ihr Dreibeiner hat ein paar besonders gefährdete Problemzonen, die Sie aber besonders im Auge behalten werden….
Etwas mehr Fürsorge und etwas mehr Vorsorge als bei einem gesunden Hund, aber genau deshalb auch auf eine wesentlich engere Bindung an den Menschen – diese Hunde entwickeln eine so enge Bindung an IHREN Menschen, dass unbedingt vermieden werden sollte, dass diese Hunde dann doch nicht behalten werden können…
Quelle:
www.tierphysiotherpie-homburg.de